„Köln 75“ Ein Film über das legendärste Jazz-Konzert, aber ohne die Musik
„Köln 75“ erzählt die unglaubliche Geschichte hinter Keith Jarretts „Köln Concert“. Der Spielfim lebt von schrägen Einfällen und Nebenfiguren. Warum sich dieser ungewöhnliche Musikfilm lohnt – und man danach garantiert Lust auf Jazz bekommt.
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13.03.2025 , 08:37 Uhr
Der israelische Regisseur Ido Fluk hätte auch einen ganz anderen Film über dieses Thema machen können. Eine gravitätische und etwas blutarme Hommage an ein Meisterwerk der Improvisation, einen Geniestreich des musikalischen Schöpfertums: „The Köln Concert“ von Keith Jarrett. Zum Glück hat er darauf verzichtet.
„Köln 75“ ist stattdessen eine ziemlich heitere Produktion geworden, ein bisschen Kraut und Rüben, aber mit dem Herz am rechten Fleck, wie man so sagt. Im Mittelpunkt steht zwar der Auftritt des damals 29 Jahre alten Pianisten Keith Jarrett in der Kölner Oper, dessen Mitschnitt (vom Edelhörer-Label ECM in eine markante und minimalistisch weiße LP-Hülle gesteckt) als das bestverkaufte Solo-Jazzalbum gilt. Dieser legendäre und etwas mehr als eine Stunde währende Augenblick, in der Jarrett etwas Uner- und Ungehörtes schuf, wirkt im Film wie das Auge des Orkans. Zumal Jarrett den Produzenten nicht erlaubte, die Originalmusik zu verwenden.
Um dieses stille Zentrum tobt ein Sturm namens Vera Brandes (herrlich energiegeladen von Mala Emde gespielt). Das Publikum lernt sie als Jazz-Fan und kölsche Nachteule kennen, die beim Feiern die richtigen Leute trifft und mit 16 Jahren Konzertveranstalterin wird. Abends nutzt die Schülerin heimlich das Telefon in der Zahnarztpraxis ihres Vaters. Und als sie bei einem Ausflug zum Jazzfest in Berlin Keith Jarrett hört, tut sie das, was Euphoriker halt tun: Sie schnappt über. Ihre fixe Idee: Der Amerikaner soll in der Oper ihrer Heimatstadt spielen! Sie bucht ihn auf eigene Faust, und natürlich muss das schiefgehen.
Wie es aber eben nicht schiefgeht, zeigt dieser Film. Sein erster Teil handelt von Vera Brandes, der zweite vom rückengeplagten und sauertöpfischen Keith Jarrett (von John Magaro im Modus ständiger Übermüdung angelegt), dessen Kunst damals noch nicht jeder verstehen und vor allem bezahlen mochte, weswegen er nachts vom Konzertsaal in Lausanne mit Kumpel und ECM-Chef Manfred Eicher (Alexander Scheer) im klapprigen Renault nach Köln gondeln muss, um die Kosten fürs Bahnticket zu sparen. Dort erwartet ihn statt des bestellten Konzertflügels ein defekter Stutzflügel. Da ist endgültig der Ofen aus: Kann er nicht drauf spielen, will er auch nicht, zieht er sich also backstage zurück und hadert.
Die beiden Teile drohen dramaturgisch auseinanderzufallen, aber das Drehbuch bietet drei Personen auf, die wie gute Geister der Kohärenz anmuten. Das ist der Musikjournalist Michael Watts (Michael Chernus), eine Art Anwalt des Publikums, der gleich zu Beginn im Stil der alten Vollbart-und-Pullunder-seligen Schulfunk-Sendungen erklärt, was Jazz ist. Der Höhepunkt: Er reißt einer klassischen Pianistin das Bach-Notenblatt weg, und natürlich kann sie dann nicht weiterspielen. Was ist Jazz? Jazz ist, wenn man dennoch spielt – und zwar einfach das, was einem die Eingebung so liefert.
Außerdem sind da die heimlichen Superstars des Films, die beiden lakonischen Klavierstimmer, die aus einem kaputten Probenflügel binnen kürzester Zeit und mit allergrößter Seelenruhe ein Highend-Instrument machen. Sie wirken wie eine Mischung aus den Landvermessern bei Kafka, aus Laurel und Hardy und Becketts Wladimir und Estragon. Jedenfalls sorgen sie dafür, dass das Konzert stattfinden kann – sofern sich der Künstler wieder einkriegt.
Das ist schließlich der Moment von Vera Brandes, sie überredet Jarrett quasi durch die geschlossene Garderobentür, auf die Bühne zu gehen. Vielleicht braucht er das Geld, vielleicht erträgt er die an beiden Enden brennende Rheinländerin auch nicht mehr, aber das ist egal: 1400 Leute erleben die Sternstunde, die Oper ist tatsächlich ausverkauft – eines der vielen Wunder, die dieses Ereignis begünstigen.
„Köln 75“ verwebt Realität und Legende und hat mitunter selbst etwas Improvisiertes. Manches geht auf, die eingeflochtenen Dokumentaraufnahmen von Miles Davis und die gesellschaftlichen Erregungen der 1970er-Jahre zum Beispiel sind toll. Auch das gelegentliche Durchbrechen der vierten Wand, wenn Vera Brandes oder der Jazzkritiker mit dem Publikum spricht. Anderes hätte man nicht unbedingt gebraucht. Die Rahmenhandlung etwa, in der Vera Brandes ihren 50. Geburtstag feiert und ihr Vater seinen Hass auf den Lebensstil der Tochter in eine Rede gießt. Er hätte doch so gerne gehabt, dass sie ebenfalls Zahnmedizin studiert! Immerhin erlebt man hier die tolle Susanne Wolff in der Rolle der älteren Vera Brandes.
Ein ganz eigener Effekt ergibt sich aus der Abwesenheit der Musik von Keith Jarrett. Wer das „Köln Concert“ liebt, wird es unwillkürlich als imaginäre Tonspur im Kopf mitlaufen lassen. Alle anderen dürften so angefixt sein, dass sie die Musik nach dem Abspann unbedingt kennenlernen möchten.
„Köln 75“ macht Lust aufs Musikhören, aufs Eintauchen in ein Meisterwerk der Improvisation, auf einen Geniestreich des musikalischen Schöpfertums. Nicht das Schlechteste, was man über eine Komödie sagen kann.
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